Sieben Vigilien (2008)

Bemerkungen
zum Notentext
Der Notentext dient der Kommunikation zwischen Komponist und Musiker.
Die Grapheme der musikalischen Sprache alleine genügen nicht, die klangliche Vorstellung des Komponisten zum Ausdruck zu bringen.
Da hilft auch keine noch so entwickelte Differenzierung der musikalischen Piktogramme, keine noch so präzisen Angaben über die Handhabung der klangerzeugenden Werkzeuge.
Je größer der Aufwand ist, den ein Komponist betreibt, um seine musikalischen Ideen graphisch zu verdeutlichen,  desto geringer wird die Aussicht auf eine einfache Lesbarkeit des Notentextes. Und selbst die genaueste Fixierung aller musikalischen-technischen Parameter kann von der angestrebten Klangwirkung kein wirklich genaues Bild geben.
Das hier angedeutete Problem möchte ich hier nicht weitergehend vertiefen.
Ich möchte vielmehr erläutern, wie meine Schreibweise zu lesen ist.
Dabei muß ich vorausschicken, daß Musik in meinem Verständnis nicht nur Klangereignis ist. Musik ist eine performative Kunst. Und das nicht nur im Bereich der musikalisch darstellenden Künste. Auch die sogenannte reine Instrumentalmusik ist eine performative Kunst.  Das heißt, ein Instrumentalist  ist immer auch ein Musikdarsteller.
Ich will das in aller Kürze erläutern:
Niemals ist ein Musiker nur Klangerzeuger. Ließe er sich auf diese Funktion reduzieren, dann wäre er durch einen Lautsprecher leicht ersetzbar. Er ist aber im eigentlichen Sinn auch gar kein Klangerzeuger, sondern seine spezifische Fähigkeit besteht darin, Klangerzeuger physikalisch so zu manipulieren, daß er durch sie seine innere musikalische Klangvorstellung zum Ausdruck bringen kann. Die Transmission der inneren musikalischen Klangvorstellung hat zwar eine technokratische Seite, die in der Verschriftlichung der Musik ihre Entsprechung findet, aber sie läßt sich darauf nicht reduzieren, – genausowenig, wie sich die Musikalität eines Musikers auf die  technische Beherrschung seines Musikinstrumentariums reduzieren läßt.
Die Klangvorstellung eines Musikers setzt, außer einem erworbenen Wissen – beispielsweise über stilistisch, historisch und geschmacklich fundierte Phrasierung – auch einen affektiven Gestaltungswillen voraus, der sich seiner sensitiven Ausdrucksmittel bewußt ist. Obwohl immer noch von der rein klanglichen Seite der Musik die Rede ist, sind bereits Bereiche zur Sprache gekommen, für die es keine hinlänglichen graphischen Zeichen gibt.
Der performative Charakter der Musik ist für gewöhnlich aufgehoben im Ereignis der musikalischen Aufführungspraxis. Je mehr diese von Gewohnheiten geprägt ist, desto weniger kommt ihr individuell performativer Charakter zum Vorschein. Im Bereich der Neuen Musik (oder auch Aktuellen Musik) jedoch, wo es schließlich um eine bewußte Distanz von musikhistorischen und soziologischen  Prädispositionen geht (oder auch um eine konkrete Bezugnahme auf diese),  muß notwenig  das Performative der Musik in den Vordergrund treten.

im Juni 2006




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