Prärie (1993)

Libretto von Bertold Brecht nach Hamsun
Kammeroper für sechs Sänger und kleines Orchester
UA 21. November1993 Volkstheater Rostock
Neufassung UA 16. Juni  1996 Städtische Bühnen Augsburg

Besetzung:
Zachäus:               Tenor
Lizzie:                   Mezzosopran
Polly, der Koch:  Bariton
Drei Männer:       Tenor
                               Bariton
                               Baß

Orchester: Flöte, Klarinette in B/Baß-Klarinette,
Horn in F, Trompete in B, Posaune, Tuba, Schlagzeug (2 Spieler),
Streicher (5,5,3,2,1 – im Ausnahmefall ist auch eine solistische
Streicherbesetzung möglich)

Die Handlung spielt im Hofraum einer Farm.
Weiße, kahle, plattgedachte Mauern, links seitlich, rechts seitlich
und in der linken Hälfte des Hintergrunds.
Dort ein Loch als Tür und kleine Fenster: die Küche. Rechts davon
ein Ausblick in die Prärie.
Zeitverlauf des Stücks und der Handlungsverlauf sind identisch.
Zachäus hat die Mähmaschine einen Finger abgetrennt.
Er kann nicht arbeiten und langweilt sich. Lizzie stellt ihm einen
angenehmen Zeitvertreib in Aussicht, doch Zachäus ist mehr
nach Lesen zu Mut. Er nimmt sich die Zeitung von Polly.
Doch der mag das nicht leiden, weil er erstens die Zeitung, und
zweitens auch Lizzieganz für sich alleine haben will.
Polly sucht also Streit mit Zachäus und die drei Männer freuen sich
an einer hübschen Prügelei, bei der Zachäus den kürzeren zieht.
Aus Rache klaut Zachäus die Zeitung von Polly, um sich seinen
Hintern abzuwischen. Das mag Polly noch weniger leiden.
Deshalb kocht er jetzt den abgeschnittenen Finger von Zachäus und
serviert ihm diesen als Fleischeinlage zur Gemüsesuppe.
Kurzsichtig, wie Zachäus ist, nagt er zum Gaudium der drei Männer
an seinem eigenen Finger. Auf seinen Irrtum aufmerksam gemacht,
wird Zachäus speiübel. Lizzie findet diesen Scherz von Polly
gar nicht lustig und kündigt Polly die Freundschaft auf.
Abend geht Polly dem Zachäus mit einem Messer nach in die Felder
und tötet ihn.

Ricordi&Co. München
(Aufführungsdauer 55’) Pressestimmen

Es hätte bestechend werden können: eine moderne Kammeroper aus
dem Jahre 1993 über Machtkämpfe zweier Männer im amerikanischen
westen zusammen mit der dramatischen Szene „Der Kampf Tancredis
mit Clorinda“ von Claudio Monteverdi von 1624 – auf italienisch!
Doch obwohl die von Henning Kussel ausgezeichnet einstudierte Musik
von Wolfgang Florey farbig zwischen schönen Lyrismen, stampfenden
Rhythmen und Kurt-Weill-Anklängen wechselt und sinnlich brütende
Langeweile in der „Prärie“ andeutet, ist das Dreiecksverhältnis denkbar
unerotisch und flach inszeniert. ------ Einzig Yaron Windmüller
vermag mit modulationsreichem Bariton --- das dramatische Geschehen
auch musikalisch lebendig zu umreißen und anteilnehmend mit-
zugestalten. ------
(Süddeutsche Zeitung – Klaus Kalchschmid 24.6. 1996)

Der Komponist Wolfgang Florey hat diese Story durch eine farbig
strukturierte, unterhaltliche Musik vertieft, die auf aggressiven Songstil
verzichtet und neben ausschwingenden Kantilenen durch reizvoll
verfremdete Rhythmen (Walzer, Foxtrott), aber auch durch freitonal
düstere Chromatik das makabre Geschehen zügig vorantreibt.
Das durch solistische Streicher unbd Bläser samt vielfältigem Schlagzeug
gekennzeichnete instrumentarium verhilft der Musik zu suggestiver
Wirkung, am eindrucksvollsten bei den höhnischen dreistimmigen
„Chören“.
(Bayerische Staatszeitung 21.6.1996 – Ludwig Lutz)

---- Florey’s Musik durchmißt dabei originelle Wellentäler aus dissonanten
Liegeklängen, um die Einöde zu schildern, Wagner karikierenden,
an Tristan- , Kundry- oder Alberich-Szenen erinnernde Farben, vermischt
mit Jazz- und Brechtsong-Flair (bei Polly’s Messer-Drohung kommt
kurz das Mackie-Messer-Motiv ins Spiel) und dem höchst amüsant
klappernden, klingelnen und stampfenden Schlagwerkapparat mit Pauken,
Trommeln, Ratschen, Tempelblöcken, Xylophonen.
Zwischen Neutöner-Ariosi, freiem Parlando und deklamatorischem
Sprechgesang überzeugen Udo Scheuerpflug als provokanter, gar nicht
bemitleidenswert harmloser Zachäus, Yaron Windmüller als dumpf
reagierender auch köstlich mit Stummfilm-Augen rollender Koch Polly
und Janet Walkers Lizzie. Eingebaut ist darin auch ein Trio, das den mit
Zachäus’ Tod endenden Haßkampf gierig anheizt: Wolfgang Babl,
Peter Neff und Timo Korsa, denen Florey trotz der kurzen Passagen tolle
Ensembles geschrieben hat. Am Pult realisierte Henning Kussel diese
Musik mit dem kleinen, schlagwerkbetonten Philharmonischen Orchester
präzis und mit Gespür für die Farben und Drastik der Partitur.
(Augsburger Allgemeine 18.6.1996 – Manfred Engelhardt)

----- Florey steht in der Brecht-Weill-Tradition: er schreibt „engagierte“
Opernmusik, die auch von Leuten verstanden werden soll, die keine
Spezialisten für moderne Musik sind. Florey hat sein musikalisches
Vokabular bewußt einfach gewählt: das Orchester ist mit 13 Musikern
recht klein besetzt, der Text ist deshalb auch fast immer verständlich.
Seine Musik wirkt unmittelbar, sie ist schmissig, ironisch, witzig,
anspielungsreich und manchmal auch ein bißchen sentimental.
Florey scheut sich nicht, auf Kurt Weill zu verweisen und die Ballade
des Mackie Messer kurz zu zitieren. Drastisch ist der Einsatz der
Lautmalerei: als zum, Beispiel Polly einen Volltreffer auf dem Kopf des
Gegners landet, schlägt im Orchester einer der beiden Schlagzeuger
scheppernd ein Becken. Florey geht in seiner fünfzig Minütigen Oper weit
über Weill hinaus. Er findet viele feine instrumentale Zwischentöne,
zum Beispiel für die Baßklarinette und Flöte. Er verzichtet auf die Songs
und fordert von den Sängern differenziertes Singen, das vom Sprechgesang
bis zu kurzen Arien reicht. Die Sänger Udo Scheuerpflug,
Yaron Windmüller und Janet Walker haben ihre Partien, unterstützt vom
Dirigenten Henning Kussel, gut bewältigt und bewiesen, daß die Oper
durchaus einen Platz im Repertoir verdient hat.
(Opernwelt August 1996 – Eckhard Roelcke)

Probenfoto: Lioba Schöneck, Stätische Bühne Augsburg 1996



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