Pausentexte (2000)

Über das Hörstück
„Pausentexte aus Kaspar“
von Peter Handke
Handkes Theaterstück „Kaspar“, ist eine Studie über menschliche Sprachohnmächtigkeit, und ihr Gegenteil: menschliche Sprachbeherrschtheit. Die Trennlinie zwischen diesen beiden Dilemmata zieht Handke formal genau in der Mitte des Stücks. Scheinbar der theaterüblichen Konvention folgend markiert eine Pause den dramaturgischen Wendepunkt. Das Publikum, das sich an dieser Stelle in einen endlich wieder selbst bestimmbaren Freiraum entlassen hofft, irrt. Handke konfrontiert die Zuschauer seines Stücks mit Sätzen, die verräterisch bloßlegen, daß Sprachohnmacht und Sprachbeherrschtheit untrennbar aneinanderkleben, daß Geschwätz und Gerede, wenn es zu Macht gelangt, zwar Herrschaftsinstrument ist,  daß sich aber in diesem alltäglichen Sprach-Quatsch die intellektuelle und moralische Verfaßtheit der Sprecher demaskiert.
Unsere Welt ist angefüllt mit intellektuell verbalen Ausscheidungen aller Art. Die Zeitungen sind voll von sinnlosen Floskeln, leeren Worthülsen und hohlen Politikerphrasen. Und unser eigenes Sprechen schließlich wird beherrscht von sinnverkehrenden Metaphern und Begriffen, die unser Bewußtsein trüben.
Anläßlich einer Aufführung  des „Kaspar“ an dem Wiener Theater „Gruppe 80“, dem ich freundschaftlich verbunden war, wollte ich den „Pausentexten“ auch klanglich auf die Spur kommen. Zu diesem Zweck habe ich die sprachlichen Fundstücke, die Handke für seinen „Pausentext“ zusammengetragen hat, aufgetrennt und, einer Spielregel folgend, mit Hilfe meines Tontechnikers Thomas Felder zu einem klanglichen Envirement wieder zusammenzugefügt.
Die Spielregel war denkbar einfach: Jeder Sprecher erhält, durch ein Los zugeteilt, die Aufgabe,  zwei Sätze an zwei Orten zu sprechen. Dabei entspricht der Anzahl der Sätze einer ebensogroßen Zahl von akustischen Schauplätzen. Zu hören sind nicht nur Mitarbeiter des Theaters, also Schauspielerinnen und Schauspieler, Techniker und Verwaltungsangestellte, die Dramaturgin, der Bühnenbildner, der Regisseur etc. sondern, weil die ganze Stadt als Spielraum fungiert, sondern es sprechen Menschen, die dazu spontan aufgefordert worden sind: Passanten, ein Fahrdienstleiter und ein Schaffner am Westbahnhof, eine Blumenverkäuferin, eine Kellnerin, ein Architekt, die Köchin des Servitenklosters, der Propagandist einer Geisterbahn im Wurschtelprater, eine Opernsängerin unter einer Donaubrücke, ein Maler auf dem Zentralfriedhof, Gäste eines Cafés, Amina Handke, die Tochter des Autors ist ebenso zu hören, wie der Komponist und sein Techniker.
Das Stück ist nicht länger als eine übliche Theaterpause, es beginnt mit dem müden Applaus des Publikums und endet mit der elektrischen Glocke, die das Publikum wieder in den Saal zurückruft.

im Jänner  2007



    zurück