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Der Tag ist überlebt,
ergraut die Erde (2007)
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Das Zentrum der Komposition bildet ein Faustmonolog aus der abschließenden Sequenz der Szene „Vor dem
Tor“, dem sogenannten „Osterspaziergang“. Gequält von der Einsicht, daß er einst als Gehilfe seines
Vaters mit untauglicher Medizin operierend schuldig am Tod von Tausenden geworden sei, versucht Faust
seinem Famulus Wagner zu erklären, wie wenig ihm das hohe Ansehen beim Volk Freude bereiten kann, wie
sehr ihn die Hochachtung, die er bei den einfachen Menschen genießt, nur daran erinnert, daß er, anstatt
zu helfen, weit schlimmer als die Pest gewütet hätte. Wagner sind solche Gedanken vollkommen fremd. Er
meint, dass ein Arzt, der seine Kunst gewissenhaft ausübt, gar nicht fehlen kann, da er um jeden Preis
seine Wissenschaft voranbringen müsse. Faust ist nur zu gerne bereit, seine dunklen Gedanken beiseite zu
schieben. In der Betrachtung des vielfarbigen Sonnenuntergangs, dem Monolog „Betrachte , wie in
Abendsonneglut...“, entwickelt Faust seine Sehnsucht nach einem Seelenzustand des ruhenden Schwebens im
unentschiedenen Dämmerlicht, in dem auf Dauer alle Gegensätze sich in Wohlgefallen aufgelöst finden.
Die Komposition lässt diese sehnsüchtige Reflexion des Textes nicht auf sich beruhen, sondern montiert
in den Monolog die quälenden Fragen nach der moralischen Verantwortung wissenschaftlichen Handelns. Das
fühlend denkende und das sprechend reflektierende Ich spalten sich vielfach. Die inneren Stimmen melden
sich zu Wort. Zweifel und Schuld mischen sich in die sentimentalische Naturbetrachtung ein. Das schön
gemalte Wortbild wird zunehmend transparent, zerfasert, zerfällt und löst sich schließlich auf. Das
Denken verliert sich im sprachlosen Raum. Im Nachwehen des klanglosen Geräusches erlischt das Ich.
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