Marguerite Duras ’
„zerstören, sagt sie“
Bemerkungen zu der Musik

Dem Vorschlag von Marguerite Duras folgend, erklingt am Ende von
„Zerstören, sagt sie“ der Kontrapunkt XVIII. aus Bach’s „Kunst der Fuge“.
Sie bezeichnet jene Stelle, wo Bach die Buchstaben seines Namens als musikalisches
Thema einführt und wenige Takte später das Wer unvermittelt endet.
Während des plötzliche Abbrechen symbolhaft für den Tod genommen werden kann,
enthüllt der Gedanke der namentlichen Signatur einen entscheidenden Antrieb für das
künstlerische Schaffen als einem Spurenlegen in dieser Welt und als einer sich der
Endlichkeit des Daseins widersetzenden Handlung.
Gehört dieses als Wesensmerkmal zum Bestandteil aller Kunst, so ist darüber hinaus
dem Erleben des musikalisch Kunst-Schönen, das im Nachvollzug sich lösender
Dissonanzen den Hörschmerz in Hörlust wandelt, der Gedanke an die Endlichkeit
bis hin zu einer Idee einer von irdischer Qual Erlösung erhoffenden Todessehnsucht
immanent. In diesem Sinne verschmilzt die Musik Bach’s im zentralen Motiv
des Theaterstückes, nämlich dem, den Ort der Handlung gänzlich umschließenden Wald,
zu einer metaphorischen Einheit, die den Tod -den großen wie den kleinen- bezeichnet.
Wie der Wald als Sinnbild aufgefaßt werden will, lauert hinter allen konkreten
Erscheinungen, die uns unsere Sinne als Realität vorgaukeln, bedrohlich deren
zeichenhaftes Sein. Denn wenn nichts mehr ist, wie es den Anschein hat, fühlen wir
uns schnell um den gesunden Menschenverstand gebracht. Und kaum noch wagen wir es,
unseren Augen und Ohren zu trauen.
So entsteht aus dem einfachen Hin und Her eines Tennisspiels, das zunächst nichts als
den agonalen Charakter der realen Außenwelt repräsentiert, durch seine stete, das ganze
Stück über währende akustische Veränderung, ein musikalisches Klangsinnbild für die
unserem Dasein Grenzen setzende Zeit.
Die szenenverbindenden Klavier-Musiken, die immer wieder gehetzt und aufgeregt den Grundton des Bach’schen Fugenwerkes umkreisen, erhellen den Gegensatz zwischen der überirdischen Schönheit der Bach’schen Musik und der Umtriebigkeit unseres Seins in der Welt.

Wolfgang Florey
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