Sieben kurze Lieder (2007)

Gedichte von Ulla Hahn

1  Lied der Amsel
2  Irrtum
3  Lied. Mäßig bewegt
4  Winterlied
5  Versuch
6  Ruhig
7  So
Lied der Amsel

Flieg mit mir hinauf
auf diesen Ast und schau
auf dich hinunter:
Auf dich in den Blumen
auf dich in den Steinen
im Gras am Wasser
auf dich unterm Baum
Du hier oben und
du da unten:
Das ist alles.


Irrtum

Und mit der Liebe sprach er ists
wie mit dem Schnee: fällt weich
mitunter und auf alle
aber bleibt nicht liegen

Und sie darauf die Liebe ist
ein Feuer das wärmt im Herd
verzehrt wenns dich ergreift
muß ausgetreten werden

So sprachen sie und so griff
er nach ihr sie schlugs nichts aus
und blieb auch bei ihm liegen.

Er schmolz sie ward verzehrt
sie glaubten bis zuletzt an keine Liebe
die bis zum Tode währt.


Lied. Mäßig bewegt

Du bist zu mir gekommen
als kämest du zu mir
du bist davongegangen
als nähmst du mich mit dir.

Du hast bei mir gelegen
als wärest du mir nah
hast mir dein Herz gegeben
als wäre eines da.

Hast mir ein’ Brief geschrieben
als kämst du wieder her
da sang ich dieses Liedchen
als ob ich’s selber wär.


Winterlied

Als ich heute von dir ging
fiel der erste Schnee
und es macht sich mein Kopf
einen Reim auf Weh.

Denn es war die Kälte nicht
die die Tränen mir
in die Augen trieb es war
vielmehr Ungereimtes.

Ach da warst du schon zu weit
als ich nach dir rief
und dich fragte wer die Nacht
in deinen Reimen schlief.


Versuch

Versuchen wir
noch einmal jene Liebe zu feiern
die einst unsere sterblichen Knochen mit
Ruhe und Aufschub durchtränkte

Legen wir
noch einmal Häute um Häute offen
die Poren und lassen sie offenstehen
als wehte der Wind nicht kalt
um die Mülleimer hinterm Haus
unterm ledrigen Efeu verborgen

Pfeifen wir
unsere alten Lieder vom Wandern der Steine
nackt mit dem Rücken zur Zukunft
und nach Noten die wissen
wann eine Sach ein End hat


Ruhig

Du bist nicht da aber ich
bin ganz ruhig.

Pünktlich fahren die Züge
heben die Flugzeuge ab
legen die Dampfer an

Ich bin nicht da aber du
bist ganz ruhig

Noch müssen wir es
einander nicht antun
dieses einzige
Nimmermehr

Wenn nur eines
meins oder deines
weiterschlägt.


So

eine Weste aus all diesen Sommertagen so
etwas Wärmendes für den Rücken meinetwegen  ruhig nach
alten Mustern und Meistern in ein paar Millionen Jahren
hat sich die Mode nicht sehr verändert Stockt
der Saft schwarz im Hollunder noch immer
hebt der Mond das Meer aus dem Schlaf
stottert die Amsel an ihrem Namen weithin so
viel offenes Geheimnis
Kugelfest bitte wie die Erdkugel so bis es uns
allen gelingt ein wenig zarter zu werden
hauzart wie das neue Häutchen überm abgeschürften Knie.




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